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Wie Gesundheit entsteht

Inhaltsangabe

Nicht nach Fehlern und Störungen, die zur Krankheit führen, will er suchen, sondern nach schöpferischen Kräften, die seelische und körperliche Gesundheit ermöglichen: Gesundheit als Schatzsuche im Spiel, im Dialog und in der Suche nach Lebenssinn. Dabei stützt sich der Autor zum einen auf das Salutogenese-Konzept des amerikanisch-israelischen Gesundheitsforschers Aaron Antonovsky und dessen Ausführungen zum »Kohärenzgefühl« des Menschen. Zum anderen bezieht er so unterschiedliche Geschichten wie »Tausendundeine Nacht«, »Pu der Bär« und »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« in sein Erklärungskonzept ein und ebenso die Biografien von Künstlern und Schriftstellern wie Joan Miró, Jean-Jacques Rousseau oder Albert Camus. 

»Alles das, was in der ?schönen? Literatur schon lange bekannt ist, soll anhand neuer Modelle zur Gesundheit bzw. Gesundheitsförderung weiter verdeutlicht werden. Seit geraumer Zeit richtet sich nämlich das Interesse nicht mehr nur auf die Entstehung von Krankheit (Pathogenese), sondern auch auf die Entstehung von Gesundheit (Salutogenese).« Oder anders formuliert: »Was haben eigentlich ?Gute Nacht-Geschichten? mit Gesundheit, und ?die Unfähigkeit zum Dialog? mit Krankheit zu tun?« Eckhard Schiffer

Bestellung

Schiffer, E.: "Wie Gesundheit entsteht"
Verlag: Beltz Verlag, 2013, Weinheim.Basel
ISBN 970-3-407-85979-2
208 Seiten, Euro 14,95

Rezensionen

Spannende Quakenbrücker Pilotprojekte

Dialog hält gesund

"Sie erinnern sich?

Sich wohlig räkelnd im Bett liegen, aller Pflichten ledig einschließlich der Hausaufgaben. Von Mutter umsorgt. Zwieback (na ja!), Lindenblütentee mit Honig und zusätzlich etwas vorgelesen bekommen. Ganz schön gemütlich so eine Grippe. Oder anders ausgedrückt: viele gesunde Kräfte in uns und um uns herum, die uns sicher sein lassen, der Krankheit nicht allein und hilflos ausgeliefert zu sein" (S.13).

Das Zitat stammt aus dem lesenswerten Buch "Wie Gesundheit entsteht" des Arztes und Therapeuten Eckhard Schiffer (siehe unsere Buchempfehlung. Die Seitenzahlen sind diesem Buch entnommen). Eckhard Schiffer beschäftigt sich dem Konzept der Salutogenese, das der israelische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky entwickelt hat. Dieser befasste sich ausführlich mit Kräften, die unabhängig von Tabletten als "Hilfsquellen" der Gesundheit dienen: die liebevolle Fürsorge, die Geborgenheit, das Vorlesen, die Beweglichkeit der Fantasie und unterscheidet sie von den krankmachenden Faktoren. Der Medizin wirft er vor, dass sie sich bloß daran orientiert, wie die krankmachenden Faktoren bekämpft werden können. Sie interessieren sich nicht für die Kräfte, die gesundheitsfördernd sind. Diese gehören im Grunde zum intuitiven Wissen der meisten Mütter (zunehmend vielleicht auch der Väter): Es ist für den Gesundheitsprozess wichtig, sich umsorgt zu wissen, sich nicht allein zu fühlen und etwas vorgelesen zu bekommen. Antanovsky spricht von Salutogenese - Gesundheitsentstehung und belegt eindrücklich, wie sehr diese Kräfte Ressourcen darstellen, die einen Menschen - gleich ob Kind oder Erwachsener gesund erhalten oder gesund werden lassen. 

Diese inneren Resourcen helfen, Krisen zu bestehen und das Leben mit seinen Herausforderungen besser zu meistern. Wer diese inneren Kräfte wahrnehmen kann, erlernt für sein ganzes Leben eine Grundstimmung und Grundsicherheit,  die das Gefühl gibt, innerlich zusammengehalten zu werden, "nicht zu zerbrechen und gleichzeitig auch in äußeren Anbindungen Unterstützung und Halt zu finden" (S.29). Antanovsky spricht vom Kohärenzgefühl, also dem guten Gefühl, Halt zu haben, weil meine Welt stimmig und geordnet ist. Ein wahres Wohlgefühl, das gleichbedeutent ist mit Gesundheit.

Zu den äußeren Faktoren, die dieses Gefühl unterstützen, zählt Antanovsky den Dialog, den "Zwischenraum im Gespräch" (S.43) zweier (oder mehrerer) Menschen, die sich nahe sind. Dieser wesentliche Dialog ist prägend für das Selbstgefühl eines Menschen. Es "gilt, dass der Dialog mit Menschen, denen ich mich verbunden oder durch die ich mich als Person anerkannt fühle, gesund hält" (26/27). Man sieht diesen Raum nicht, aber es kann viel darin passieren. Im Dialograum, dem Zwischenraum, der mich mit meinem Dialogpartner verbindet, treffe ich zunächst mit meiner inneren Realität auf die äußerer Realität meines Gegenübers. Im Gespräch erfahre ich dann auch etwas über die innere Welt meines Dialogpartners, was meine innere Welt erweitern kann. Und umgekehrt. Wir können uns im Gespräch - wie im spielerisch schöpferische Gestalten - vertiefen, `verlieren`, gehen dabei jedoch nicht unserer Identität verlustig. Im Gegenteil (82). 

Wie Gesundheit entsteht

Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung

Ursula Stahlbusch in: bvvp-Magazin 4-04 Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten
Nicht brandneu, aber sehr aktuell: Der Autor hat wohl schon vor drei Jahren den heutigen gesellschaftlichen Umbruch geahnt:
Vor dem Hintergrund unserer globalisierten Welt und deren Gefahren betont er die Bedeutung des Dialogs, des Zwischenraums im Gespräch als intermediären Möglichkeitsraum, in dem sich das Kohärenzgefühl entfalten und uns zum Schatz Gesundheit führen könne. Er unterscheidet "match" (hier wird der andere ausgeschaltet) von "play": "Fairplay führe zu verantworteter Autonomie. In unserer postmodernen Gesellschaft sieht er dieses fairplay zunehmend verdrängt durch Konkurrenzdenken; fehlende Bindungserfahrung führt zu Mobbing; survival of the fittest ist angesagt. Im Verdrängungswettbewerb gilt: The winner takes it all - auf Kosten einer großen Zahl von Verlierern.
Der Autor bezieht sich auf den amerikanischen Gesellschaftswissenschaftler Sennett (Der flexible Mensch, 1998): In der metaphysischen Obdachlosigkeit unserer Zeit erfahren wir unsere Lebenszeit immer zusammenhangloser. Diese Aufsplitterung der Lebensgeschichte mit Verlust an Bindungserfahrung und schwindendem Sinn stellt unsere Identität in Frage; an Stelle von Kohärenzgefühl tritt das Gefühl des Auseinanderfallens und der Verlust der Sinnhaftigkeit, der Mensch wird krank. "Wenn Sennetts Diagnose stimmt", so der Autor, "ist die Zivilisation insgesamt gefährdet". Veränderte Strukturen in Schule, Kindergarten und im Arbeitsbereich müssten der "Zersplitterungswirkung des gegenwärtigen Kapitalismus" eine "stärkere Verwurzelung im Wir", Konfliktfähigkeit und dialogisches fairplay entgegensetzen. In der veränderten Kraft des Dialogs sieht der Autor die "Chance für eine korrosionsbeständigere Verankerung des fairplay im Selbstwertgefühl". Wenn gesunder Menschenverstand mit einem Stück Gemeinsinn einhergehe, könne fairplay dem scheinbar alles überflutenden Mainstream "globalisierter Konkurrenz" entgegenwirken. Fairpaly im Dialog bedeute das anerkennende Wahrnehmen des Du, das die eigene Identität und die des anderen festige.
Das Erzählen der Lebensgeschichte und deren Neubewertung sei - nicht nur in der therapeutischen Beziehung - bedeutsam: Ereignisse, in die wir verwickelt sind, können im Wissen um unsere Verletzlichkeit und Endlichkeit, aber auch im Hinblick auf unsere Ressourcen neu erlebt werden. Erzählend können wir vom erleidenden Objekt zu selbst gestaltenden Subjekt werden. Im Innehalten, in der Pause findet das Gegenüber Raum, kann sich Kohärenzgefühl entfalten. Am Beispiel von Tausendundeine Nacht zeigt der Autor, wie in erzählten Geschichten Kränkungen, Brüche und Gefährdung der Identität in einen verstehbaren Sinnzusammenhang eingebunden werden; er zeigt auf, wie heilende innere Bilder auftauchen, Beziehungsbrücken zwischen Erzähler und Zuhörer und auch innerseelisch zwischen Gefühl und Sprache entstehen, wie Ambivalenz integriert werden kann, wie Gespenster weniger gefährlich werden, wenn sie benennbar ihren Platz in unserer Lebensgeschichte finden.
Die Sinnfrage in ihrer letzten Konsequenz ist immer auch verbunden mit Tod und Sterben. Camus und Frankl setzen der Verleugnung des Sterbens die Würde des Menschen entgegen, die sie ihr Dasein auch im Leiden bejahen lässt. Geht es um Antwort auf die Frage, warum und wozu ich lebe, werde es für die medizinische Wissenschaft schwierig. Sinn lässt sich nicht verifizieren, evaluieren, er entzieht sich Richtlinien- und Qualitätskontrolle und lässt sich schon gar nicht verordnen. Sinn ergebe sich aus dem existentiellen Wagnis eines jeden einzelnen Menschen für ihn selbst. Die dazu nötige Dialogfähigkeit gilt es, im therapeutischen Raum einzuüben und zu fördern.

Eingangs sei gesagt, das ist ein schönes, interessantes und wertvolles Buch! Was macht den Inhalt so schön?
Viel belesen und souverän mit dem Gelesenen umgehend, führt Schiffer in die Denkweise Antonovskys und in die Salutogenese ein. Interessant wird das Buch durch die Vielfalt der Themen, durch klare Gliederung, Übersichtlichkeit und sowohl praktische als auch theoretische Kompetenz des Autors. Wertvoll wurde es mir auf Grund der durch jede Äußerung hindurch schimmernde Herzenswärme dieses Arztes, Psychotherapeuten und Philosophen, der bei der deutlich zutage tretenden Gelehrsamkeit nie den liebevollen, menschlichen Blick verliert. Undogmatisch, aber doch mahnend, mit Missständen der Zeit ringend, aber doch großzügig frei lassend, bringt er erzählend dem Leser die Inhalte nahe, welche ihn wecken, informieren und begeistern sollen. Und das tun sie auch.
<Salutogenese> ist heute ein eigenartiges Thema. Wer es kennt und sich damit auseinander setzt, bemerkt zweierlei: Einerseits scheint jedermann für sich in Anspruch zu nehmen, das Thema längst behandelt und längst umgesetzt zu haben, andererseits haben viele Menschen noch nie davon gehört.
Diesen Spagat muss Schiffer ebenfalls bemerkt haben, und er nimmt diese Herausforderung mit offenbarer Freude an. Er informiert grundlegend über die Begriffe >Salutogenese< und >Kohärenzgefühl> und diskutiert die Probleme. Dann aber führt er über die Grundinformationen hinaus, ergänzt das Gedankengebäude Antonovskys und schmückt es mit Praxisbeispielen aus, ohne je die Größe der Urheberschaft in Frage zu stellen. Auch hier zeigt sich ein liebevoller, respektvoller Grundtenor im Umgang mit Menschen, der schon im Vorwort von Prof. Dr. med. Wolfgang Herzog, der bei Schiffer einst lernte, besondere Erwähnung findet. Herzlich, zugewandt und offen wird die Atmosphäre auf Schiffers Station genannt.
Für Anthroposophen, Ärzte, Psychologen, Therapeuten, Lehrer, Eltern ist dies ein Buch, in dem die Schatzsuche sich lohnt. Möge unser Umgang mit den Themen sich an diesem Buch schulen. Die <Salutogenese> wird eins der großen Themen der Zukunft sein, nicht zuletzt, weil sie die Frage nach dem Sinn des Lebens ausdrücklich mit dem Sinn des Todes verbindet und damit unweigerlich zur philosophisch-religiösen Frage wird.

Von Wolfgang Kersten

In meinem Leib zu Hause

"Warum bin ich eigentlich gesund?"
Eine Frage, die sich fast niemand stellt, weil Gesundheit "gewissermaßen unsichtbar und lautlos" ist, erst das Wehwehchen Lärm macht. Für solch einen nicht messbaren, schwer zu definierenden, subjektiven Zustand von Wohlbefinden und Gesundheit interessiert sich (naturgemäß?) fast kein Wissenschaftler, die Mediziner als Fehlerfachleute schon gar nicht. Weswegen unser Wissen darüber, was gesund erhält - zu unterscheiden von der Prävention, die auf Vermeidung (Rauchen) und Entschärfung (Impfung) abzielt -, auch höchst unzureichend ist.

Eckhard Schiffer, Analytiker und Arzt sowie Autor des Klassikers zur Suchtprävention "Warum Huckleherry Finn nicht süchtig wurde", lehnt sich an das Kohärenzmodell der Salutogenese von Aaron Antonovsky an. Kohärenz ist das Gefühl, "innerlich zusammengehalten zu werden, nicht zu zerbrechen und auch in äußeren Anbindungen Unterstützung und Halt zu finden". Um dieses Gefühl in der Kindheit zu entwickeln, so dass es dann in Krisen und Krankheitszuständen abgerufen werden kann, sind drei Momente wichtig.

Die Welt muss uns verständlich, sie muss für uns erklärbar sein. Zudem muss der Mensch Zugang zu inneren und äußeren Ressourcen oder Kraftquellen entwickelt haben, damit ihm seine Lebensaufgabe handhabbar erscheint. Und drittens muss das Leben als sinnhaft erfahren werden. Sind diese drei Aspekte als Kohärenzgefühl ausgebildet, dann können wir bedrohlichen Situationen, Stress und Schicksalsschlägen positiv begegnen, wir nehmen sie als Herausforderungen an und zerbrechen nicht daran.

Kinder erobern sich ein Kohärenzgefühl durch das Spiel: "Spielend, barfuß mit Bollerwagen" werden Sinnes- und Gefühlserlebnisse zu affektu-sensorischen Erfahrungen und bilden innere Bilder und Fantasien auf unserer Leinwand im Kopf. Diese Spiel- und Fantasiefähigkeit, die immer gekoppelt ist an eigene körperliche Sinneserlebnisse (nicht an die über Medien nur "gesehenen") ermöglicht den lernenden Umgang mit kleinen Stresssituationen, verhindert Starrsinn. "Ich bin dann in meinem Leib ,zu Hause', muss ihn nicht traktieren, martern, piercen oder ständig ängstlich beobachten. Und ich bin auch dann noch in mir zu Hause, wenn die Gelenke nicht mehr so beweglich sind und das Gehör nicht mehr so gut wie im Jugendalter ist."

Schiffer benutzt den Begriff play - im Gegensatz zu match, bei dem es um Sieg oder Niederlage geht. Neben das selbstvergessene play tritt das fair play - das Spiel mit den anderen. Trotz Auseinandersetzungen und Raufereien bietet eine gute Gruppe Halt, Bindung, ein Zusammengehörigkeitsgefühl und bildet die Grundlage des Dialoges. Schiffer beruft sich auf den Philosophen Martin Buber, denn erst im Dialog wird der "Mensch am Du zum Ich" - und keineswegs durch die endlosen Monologe der Medien!

Wie das Kohärenzgefühl bildet auch die Identität sich ausschließlich im Dialog und in der körperlichen Erfahrung von Welt. das heißt für Kinder im Spiel so dass ihre kleine Welt verstehbar, handhabbar und sinnhaft erscheint, sich nich zerfleddert in Ex-und-Hopp-Beziehungen, in der virtuellen Medienflut, in Bindungslosigkeit und Sinnverlust.

An einem simplen Beispiel mach Schiffer deutlich, wie gesundheitsfördemdes Verhalten aussehen kann, nämlich durch das Vorlesen von Geschichten für (kranke) Kinder: Eine behütete Station, Nähe und Kontakt, die Eröffnung eines gemeinsamen Fantasieraums und die spielerische Bewältigung der Welt, der sich anschließende Dialog und die Entstehung von Sinnhaftigkeit durch das Erzählen. Auch die Einfühlung in andere wird dadurch gelernt und emotional ermöglicht. Dabei fügt sich Äußeres und Inneres zusammen, (körperliche) Entspannung und Selbst-Bewusstsein entsteht jenseits von Siegermentalität, Leistungsdruck und Fitnessideologie, von Abgrenzungen und Vereinsamung. Dies wäre der innere, abrufbare Schatz, diese Stärke und eigene Möglichkeit der Lebensbewältigung, der gesund erhält und gesund macht, jenseits der medizinischen "Fehlerfahndung".

Eine Schatzsuche: Eckhard Schiffer beschreibt, wie Gesundheit entsteht
Süddeutsche Zeitung vom 16.6.01
Von ASTRID VON FRIESEN

Von der überaus spannenden Suche nach einem Schatz

Neues Buch von Dr. Eckhard Schiffer

Er ist Arzt und Psychotherapeut und - ein engagierter Anwalt: Dr. Eckhard Schiffers Plädoyers gelten der Entfaltung schöpferischer Kräfte, im Spiel und in den unterschied liebsten Formen des Dialoges, der Entwicklung eines gesunden Eigen-Sinns, dem Wahr- und Angenommen werden.

Auch in seinem neuen Buch "Wie Gesundheit entsteht" bricht Eckhard Schiffer eine Lanze für all das, was ihm für körperliche und seelische Gesundheit entscheidend zu sein scheint.

-Spiel und Dialog im Sinne von Fairplay-

Nicht die Suche nach Störungen, die zur Krankheit führen, Ist seine Sache. Er forscht nach den schöpferischen Kräften, die Gesundheit verursachen, Gesundheit, die mehr Ist, als nur die Abwesenheit von Krankheit. "Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung" ist deshalb auch der Untertitel des bei Beitz erschienen Taschenbuches. Er signalisiert bereits, was mit je der Seite des Lesens deutlicher wird. Es geht um eine andere Sichtweise als die der konventionellen Medizin, die sich im wesentlichen auf krankmachende Faktoren konzentriert. Einer Tatsache, der der Autor sehr kritisch gegenübersteht. Ihm geht es um gesundheitsfördernde Momente, umKraftquellen, aus denen sichGesundheit speist.

Das Nachdenken darüber führt zu den Thesen des israeisch-amerikanischen Gesundheitsforschers Aaron Antonovsky. Auf sie stützt sich der Autor. Antonovsky spricht von "Kohärenzgefühl" als Grundlage von Gesundheit. Dieses Gefühl eines "inneren Zusammenhangs und äußeren Zusammenhalts" resultiert, wie Eckhard Schiffer beschreibt, aus der Sicherheit, die Zusammenhänge der Welt verstehen zu können, dem Vertrauen, aus eigener Kraft oder mit Unterstützung Lebensaufgaben meistern zu können, und aus der Gewissheit, dass das eigene Leben einen Sinn hat.

-Interessant nicht nur für Fachkollegen-

Aus diesen Überzeugungen erwachsen letztlich die Voraussetzungen für ein erfülltes, "gesundes" Leben auch von Menschen, die in Vergangenheit oder Gegenwart mit schwierigen Begleitumständen zu kämpfen hatten oder haben. Anschaulich schildert Eckhard Schiffer, wie sich solche Gewissheiten entwickeln können: im Spiel und im Dialog, beide gekennzeichnet von den Regeln des "Fairplay", das dem Gegenüber Raum und Zeit lässt für Antwort und Entwicklung, nicht des Regeln des "Match", in dem es nur Gewinner oder Verlierer gibt. So können Wahrnehmungs- und Bindungsfähigkeit wachsen, können sich Identität und ein starkes Selbstgefühl herausbilden - Ressourcen, aus denen sich Gesundheit speist.

In lebendigen Bildern und Geschichten - wer erinnert sich nicht an eine liebevoll umsorgende Mutter bei Masern oder Windpocken? - führt Eckhard Schiffer hoffentlich viele Sucher zu ihrem eigenen Schatz: Zu inneren Bildern, die motivieren zu einem Inneren, gesundheitsfördernden Dialog. Ein lesens wertes Buch, nicht nur für Fachkollegen.

Von E. Gadeberg

Salutogonese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung

Als Therapeut oder Berater ist man leicht in Gefahr, den Anlass. weshalb ein Ratsuchender kommt, in den Mittelpunkt zu stellen. Und es ist ja auch dessen Auftrag, das Störende zu beseitigen. Schnell wird dann über das Sinnieren über die Krankheit die Gesundheit vergessen. Nur - was ist eigentlich Gesundheit? Handelt es sich dabei um lediglich die Abwesenheit von Krankheit? Dieser Frage geht der Autor nach. Er stützt sich dabei auf das Salutogonese Konzept des amerikanisch-israelischen Gesundheitsforschers Aaron Antonovsky. Dieser hat die Bedeutung von Spiel und Dialog für die Gesundheit erkannt und betont. Wie genau hierfür Spiel und Dialog beschaffen sein müssen und aufweichen Wegen sie so die Gesundheit fördern und entwickeln helfen, ist die Hauptthematik dieses Buches. Die Faszination, die von diesem Konzept ausgeht hat sicherlich damit zu tun, dass es als eine am weltesten entwickelte Theorie zur Erklärung von Gesundheit bezeichnet werden kann. Vielleicht liegt die Faszination aber auch darin begründet, dass - im Gegensatz zu einer Gesellschaft, in der nur Jung-Sein, Funktionieren, Leisten, Produktivität und Wachstu.Ti zählen - in diesern Modelt der Tod nicht als Versagen von Reparaturmöglichkeiten gesehen wird, sondern als ein Bestandteil des Lebens. Er wird aus den Überlegungen zur Gesundheit nicht ausgeblendet sondern mit einbezogen. Nicht nach Fehlern und Störungen, die zur Krankheit führen wird gesucht, sondern nach den schöpferischen Kräften, die seelische und körperliche Gesundheit ermöglichen. So wird dann Gesundheit zur Schatzsuche, die stattfindet Im Spiel, im Dialog und in der Suche nach Lebenssinn. Philosophische Betrachtungen, neueste Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie und die Schilderung von peychosomatischen Zusammenhängen ergänzen das Buch. Alle die Kollegen, die in ihrer Arbeit andere Zugänge zu ihren Ratsuchenden suchen, werden hier Mut bekommen, Platz für Spiel und Dialog, etwa in der Arbeit in und mit Gruppen. In Bewegungstherapien bewusst mit einzuplanen.

Von Dr. Rudolf Sanders

Über den Krankheiten haben wir weitgehend die Gesundheit vergessen! Die Frage nach unserer Gesundheit stellt sich jedoch auch für die meisten von uns erst dann, wenn wir wirklich krank sind. Aber Gesundheit ist etwas anderes als Nicht-krank-sein und genau dieser Frage geht der Autor. Mediziner und Psychotherapeut, in seinem Buch nach. Dabei geht es nicht um die Suche nach Fehlern und Störungen, die zur Krankheit führen, sondern um schöpferische Kräfte, die seelische und körperliche Gesundheit ermöglichen. Er zeigt anhand von Literatur beispielhaft auf wie Gesundheit dialogisch-spielerisch ge fördert werden kann, ohne erhobenen Zeigefinger, denn der Autor sieht Gesundheit als Schatzsuche im Spiel, als Fähigkeit zum echten Dialog und als Suche nach Lebenssinn. Er macht deutlich, dass es in Erzählsituationen um das Kohärenzgefühl oder den Kohärenzsinn geht. Damit ist aus seiner Sicht ein Grundgefühl und zugleich auch eine Wahrnehmungsweise der Welt gemeint, dass wir das, was um uns herum geschieht auch ausreichend verstehen und darüber hinaus beeinflussen können. Das heißt, wir sind nicht hilflos, sondern verfügen über innere und äußere Hilfsquellen, auch in Form von Unterstützung durch Angehörige. Freunde und Nachbarn, mit denen wir Schwierigkeiten meistern können. Wesentlich am Kohärenzgefühl ist oder sei jedoch, dass wir unser Handeln nicht nur als zweckmäßig, sondern auch als sinnvoll empfinden. Es gibt viele Bücher über die Entstehung von Krankheit, alsoüber die Pathogenese. wenige konzentrieren sich auf die Entstehung von Gesundheit (Salutogenese). Das Buch will den letzteren Ansatz näher bringen, vor allem anhand von alltäglichen Erfahrungen und Karikaturen, aber auch durch Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen. In diesem Buch geht es um Gesundheit, dargestellt an bestimmten Begegnungs- und Interaktionsmustern. um die Entwicklung eines Kohäreiizgefühls und damit um die Entstehung von Gesundheit. Das Medium der "Schatzsuche" steht im Mittelpunkt auf die sich auch Erwachsene einlassen und davon protmei'en sollten. Wie entscheidend Erfahrungcii im Kindesalter- bezüglich der Einstellung zur Gesundheit und im Umgang mit dem eigenen Gesund-Sein ist, wird in diesem Buch deutlich. Das Buch ist für alle empfehlenswert, die sich damit auseinandersetzen wollen, welche Ansätze und Möglichkeiten es gibt, sich einem anderen Gesundheitsbegriff zu nähern. Sich an Gesundheit statt an der Krankheit zu orientieren und dies auch an andere weitergeben oder unterstützen wollen.

Von Hilde Schädle-Deininger, Offenbach

Schatzsuche

Eckhard Schiffer: Wie Gesundheit entsteht. Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung. Beltz Verlag, Weinheim 2001. 184 Seiten, 12,90 EUR.

Im Unterschied zur Schrift von Rüdiger Lorenz enthält Eckhard Schiffers Buch eine leicht lesbare, "populäre" Darstellung des Themas Salutogenese. Es ist mit Humor und künstlerischem Sinn geschrieben - ohne deswegen ungenau zu sein. Schiffer bezieht Geschichten aus "Tausendundeine Nacht", "Pu der Bär" oder den Roman "Die Pest" von Albert Camus in seine Darstellung ein und verdeutlicht das Kohärenzgefühl des Menschen anhand der Biografie von Joan Miro und "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" von Marcel Proust. Besondere Betonung erhält die Kunst, Geschichten, beispielsweise die eigene Lebensgeschichte zu erzählen. Der Autor macht sich stark für das Vorlesen oder Erzählen von Geschichten gegenüber Kindern, denn sie können daraus wichtige Lebenskräfte beziehen. Dem Erzählen von Geschichten eignet eine zusammenhangbildende Kraft, die den Menschen darin fördert, "das eigene Leben vor dem Auseinanderfallen zu bewahren, etwas Wertvolles in sich selbst zu entdecken." Außerdem beschreibt Schiffer besonders eingehend die salutogenetische Bedeutung von Dialog und Spiel.

Corinna Gleide